• Wenn über Sozialhilfe gesprochen wird, explodieren die Kommentarspalten vor Hass. Doch Armut ist kein Charakterfehler – sie kann jede:n treffen. Und genau darauf baut die Politik: Spaltung statt Lösungen.

    Sobald es in irgendeinem Beitrag oder Artikel um Sozialhilfe geht, füllen sich die Kommentarspalten zuverlässig mit purem Hass.
    Von „Die sollten gar nichts mehr bekommen“ bis „Denen sollte man die Kinder wegnehmen.“
    Von „Zwangsarbeit“ bis „Wer nichts arbeitet, sollte auch keine Wohnung haben dürfen.“

    Man liest sich durch die Früchte der Politik der vergangenen Jahre.

    Dass die FPÖ seit jeher gegen Armutsbetroffene hetzt, ist bekannt. Sie umschreibt es nur gern mit „Wir meinen eh nur die neu Zugezogenen“ und wirft damit alle, die auf Hilfe angewiesen sind, unter den Bus.
    Die ÖVP wiederum verliert in ihrem Wahn, die FPÖ rechts zu überholen und deren Wähler:innen abzuwerben, zunehmend den Bezug zur eigenen Bevölkerung.

    Seit Jahren bekommen wir dieselben Schlagworte um die Ohren gehauen:
    „Fehlende Anreize.“
    „Soziale Hängematte.“
    „Sozialmissbrauch.“
    „Arbeit muss sich lohnen.“
    „Sozialhilfe darf kein Lebensmodell sein.“

    Man erzählt uns von Menschen, die angeblich das System ausnutzen.
    Die Sozialhilfe wird als etwas dargestellt, von dem sich gemütlich leben lasse.
    Als etwas Bequemes.
    Als Grund, warum Menschen arbeiten angeblich „nicht wollen“.

    Oder Armut wird zur persönlichen Schuld erklärt: „Die können halt nicht mit Geld umgehen.“
    Wir erinnern uns an Nehammers „Sollen sie doch Burger essen“-Video oder Salomons Kochtipps.
    Ja, vor allem willige Medien, die diese Vorurteile weitertragen, sind mitschuldig an dem Neid und der Abwertung, die uns entgegenkommen.

    Wer Sozialhilfe und Armut aus Sicht der Betroffenen thematisiert, bekommt diesen Hass sofort zu spüren.
    Das reicht von Silencing (also gezielten Versuchen, Betroffene durch Vorwürfe mundtot zu machen) über persönliche Angriffe, die nichts mit dem Thema zu tun haben, bis hin zu Drohungen:
    „Ich weiß, wo deine Kinder zur Schule gehen.“
    „Meine Glock wartet schon.“

    Dabei ist längst wissenschaftlich belegt:
    Armut und soziale Ungleichheit sind strukturell bedingt.
    Es gibt mehr als genug Studien, die das zeigen.
    Aber das spielt für Parteien längst keine Rolle mehr.
    Es geht nur noch um die nächste Wahl. Und dafür wirft man bestimmte Menschengruppen bewusst der Meute vor.

    Solange man jenen, die trotz Arbeit Monat für Monat kämpfen, die durch die Inflation kaum mehr Spielraum haben oder Angst um ihren Job, erfolgreich einreden kann:
    „Wenn wir Armutsbetroffene noch mehr bestrafen, geht es euch besser“,
    solange bleibt Armut ein perfektes Feindbild.

    Dass sie selbst jederzeit Teil dieser Zielscheibe werden könnten, daran denkt kaum jemand.
    Denn: „Ich bemühe mich doch, ich arbeite, ich bin nicht faul“ . Dieser Satz soll angeblich schützen.

    Nur: Er tut es nicht.

    Auch ihr könnt jederzeit krank werden.
    Ein Burnout reicht.
    Eine Depression.
    Eine chronische Erkrankung.
    Ein Kind, das plötzlich Pflege braucht.
    Ein Angehöriger, der Betreuung braucht.
    Ein Schlaganfall, ein Unfall, eine Firmenpleite, ein Jobverlust, der dazu führt, dass ihr Arbeitslosengeld mit Sozialhilfe aufstocken müsst.
    Epilepsie. Autismus. Alles mögliche.

    Dieses „Mir passiert das nicht, weil ich nicht faul bin“ ist einer der gefährlichsten Irrglauben überhaupt.

    Und all die verbreiteten Vorurteile führen dazu, dass niemand in der Schublade „Armut“ landen will.
    „Ich gehör da nicht rein, ich bin nicht so.“
    Nein, seid ihr nicht.
    Aber jene, die bereis in Armut leben müssen, auch nicht. Nur dank jahrelanger politischer und medialer Manipulation ist es gelungen, dieses verzerrte Bild aufrechtzuerhalten.

    Und was bringt es ihnen?
    Macht.

    Macht über euch, die ihr aktuell noch keine Hilfe braucht.
    Macht, euren Neid und eure Angst nach unten zu lenken, statt nach oben zu hinterfragen.
    Macht, eure Arbeitsbedingungen Schritt für Schritt auszuhöhlen; Anspruch um Anspruch, Sicherheit um Sicherheit.
    Macht, die Gesellschaft so gründlich zu spalten, dass niemand mehr erkennt, wie verletzlich man selbst ist.

    Denn je tiefer ihr nach unten tretet, desto leichter kann man euch von oben ausnehmen.

    Und wenn es dann plötzlich jene trifft, die vorher meinten „Mir passiert das nicht“, dann heißt es plötzlich:
    „Bei mir ist es aber anders.“
    „Ich kann nichts dafür.“
    „Mir steht das zu, ich bemühe mich doch.“

    Genau das gilt aber auch für jene Menschen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind.

    Also wie könnt ihr euch eigentlich erdreisten, euch über andere Menschen zu stellen?
    Menschen, die durch Schicksalsschläge oder strukturelle Barrieren in Armut geraten sind?
    Menschen mit Geschichten, die ihr nicht kennt?

    Wie könnt ihr euch als etwas „Besseres“ darstellen? Weil man euch ständig eintrichtert: „Sozialhilfe nur für jene, die sie wirklich brauchen“?

    Spoiler: Sozialhilfe bekommt ohnehin nur, wer wirklich bedürftig ist.
    Und sie ist an strengste Auflagen, Nachweise, Kontrollen und existenzielle Einschränkungen geknüpft.

    Also gibt es zwei Möglichkeiten:

    Entweder ihr seid der Meinungsmache komplett auf den Leim gegangen und die Politik hat erreicht, was sie wollte:
    Manipulierbare Menschen, die sich gegeneinander aufzuhetzen. Dann solltet ihr beginnen zu hinterfragen, ob die Berichte und Artikel über die „soziale Hängematte“ oder „fehlende Anreize“ nicht doch pure Manipulation sind und euch mit Zahlen, Fakten und Hintergründen zu Armut und Sozialhilfe auseinandersetzen. Oder ihr glaubt wirklich, etwas Besseres zu sein. Dann ist das armselig.

    Niemand, absolut niemand hat etwas davon, wenn wir das grausame Spiel der Parteien mitmachen und nach unten treten. Weder sinkt dadurch die Inflation, sinken die Ausgaben für Sozialhilfe, finden Menschen schneller Jobs, noch bleibt euch dadurch am Monatsende mehr. Soziale Kälte hat noch nie Gutes bewirkt. Im Gegenteil. Und wer wissen möchte was hilft, kann gern nachlesen, wie zb unsere Peerarbeit wirkt. Und was es braucht, damit Hilfe zur Selbsthilfe wirkt. Abwertung, Disziplinierungsmaßnahmen, Stigmatisierung, Isolation sind es definitiv nicht. Aber das wissen diese Parteien und Medien auch. Es passt halt nur nicht in deren Agenda.

    „Niemand steht eines Morgens auf und beschließt, in Armut zu leben, weil es so bequem ist. Niemand“!

    Eure Frau Sonnenschein

  • Für das Lächeln meiner Kinder

    von Martina.

    Ich bin müde. So müde.
    Ich bin Mutter von drei Kindern. Allein. Mein Ex-Mann ist gegangen, als die Jüngste zwei war. Es gab damals immer öfter Streit.
    Erst ums Geld, dann um alles. Der Mittlere war oft krank, ich konnte kaum arbeiten.
    Er verlor seinen Job, die mageren Ersparnisse reichten nicht lange. Wir rutschten in die Armut und haben immer öfter gestritten. Er wurde wütend, hat geschrien, Sachen geworfen. Und dann hat er mich geschlagen. Geweint, sich entschuldigt – aber es blieb nicht bei diesem einen Mal.

    Trotzdem bin ich geblieben. Weil ich Angst hatte. Angst vor ihm, aber auch Angst, es nicht allein mit den Kindern zu schaffen. Allein schon finanziell. Aber auch, weil ich dachte, es wäre das Beste für die Kinder. Weil ich hoffte, er würde sich ändern.

    Irgendwann hatte ich genug. Ich ging. Nur mit den Kindern an der Hand. Zuerst ins Frauenhaus, dann in eine Mutter-Kind-Einrichtung. Befristete Sicherheit. Befristete Zeit, um langsam wieder auf die Beine zu kommen. Um meinen Kindern zu versichern, dass mit mir alles gut ist. Mit Hilfe der Sozialarbeiterin habe ich einen Hortplatz für die Großen und einen Kindergartenplatz für die Kleine bekommen.

    In meinen alten Job konnte ich nicht zurück. Also habe ich mich umorientiert. Ich habe den ersten Job genommen, den ich bekommen habe: Reinigungskraft. 30 Stunden die Woche. Mehr geht nicht – wegen der Kinder, wegen meines Rückens, wegen meiner Erschöpfung.

    Zum Sozialamt wollte ich nicht. Das hätte bedeutet, meine Eltern zu verklagen. Sie sind die Einzigen, die mir helfen, wenn ich nicht mehr kann. Die Einzigen, die mir die Kinder mal abnehmen. Ich kann es mir nicht leisten, diesen Halt zu verlieren.

    Unterhalt kommt unregelmäßig. Ich bitte nicht darum. Ich will keinen Streit. Ich kann keinen weiteren Kampf mehr führen. Ich bin müde vom Kämpfen. Und ich will das bisschen Frieden, das ich habe, nicht zerstören. Ja, ich habe Angst vor dem, was passiert, wenn ich es einklage. Weil ich weiß, wozu er fähig ist. Und weil wir nicht wieder alles verlieren können, was wir aufgebaut haben.

    Auch nicht unsere Wohnung. Egal, wie klein sie ist. Denn sie ist unser Zuhause.
    Sie ist auf Dauer zu klein, aber ein Umzug ist unmöglich. Ich spare, aber es reicht nie. Also spare ich an mir selbst ein. Weniger Essen. Länger die kaputten Jeans tragen, noch mal flicken, ehe ich mir etwas „Neues“ vom Flohmarkt hole. Geburtstagsgeschenke? Kommen aus dem, was ich mir selbst verweigere und so einspare.

    Freizeitaktivitäten? Nur das, was gratis möglich ist. Oder so gut wie gratis. Oder was die Großeltern eben schenken. Spiele? Bekommen wir hin und wieder von einer Nachbarsfamilie. Manchmal nehmen meine Eltern die Kinder ein ganzes Wochenende oder in den Ferien für eine Woche, damit sie Erholung haben. Dann würde ich am liebsten schlafen. Aber meist schaue ich, ob ich noch irgendwo etwas dazuverdienen kann. Damit die Kinder wieder ein kleines bisschen mehr Freude haben. Oder neue Sachen für die Schule und den Kindergarten.

    Manchmal liege ich nachts wach und weine – leise, damit es niemand hört. Ich frage mich, wie lange ich das noch schaffe. Und dann sehe ich sie. Ihre kleinen Gesichter, ihr Lachen. Und ich weiß: Ich mache weiter. Für sie. Immer.

    Ihr wollt eure Erfahrungen erzählen? Aber anonym bleiben? Dann schreibt uns:

  • Einblicke

    Von Hoffnungslosigkeit zu neuen Perspektiven

    Die vergangenen zwei Wochen haben uns einmal mehr gezeigt, wie viel durch Peer-Arbeit möglich wird. Wir haben neue Menschen kennengelernt, Erstkontakte aufgebaut und begleitet – und durften erleben, wie kleine Schritte zu großen Veränderungen führen können.

    Viele, die zu uns kommen, sind zunächst erschöpft, isoliert und hoffnungslos. Sie fühlen sich überfordert vom Behördendschungel, schämen sich, Hilfe annehmen zu müssen, oder haben Angst vor Ablehnung und Kontrolle. Hinzu kommt, dass viele gar nicht wissen, welche Unterstützung sie überhaupt beantragen könnten. Genau hier setzen wir an.

    Was am Anfang oft fehlt – und warum Hilfe nicht in Anspruch genommen wird

    Viele Betroffene nehmen mögliche Leistungen nicht in Anspruch, weil …

    • sie nicht wissen, dass es Unterstützung gibt
    • sie sich schämen, Hilfe zu brauchen oder zum Sozialmarkt zu gehen
    • sie Angst haben, als „faul“ abgestempelt zu werden
    • sie schlechte Erfahrungen mit Ämtern gemacht haben
    • sie überfordert sind von Formularen, Nachweisen, digitaler Bürokratie
    • sie Sorge haben, dass andere die Hilfe dringender brauchen
    • sie Angst haben, durch Anträge andere Leistungen zu verlieren
    • sie keine Energie mehr übrig haben – weil der tägliche Überlebenskampf sie erschöpft
    • sie Angst haben vor Beschämung, Kontrolle, Rückforderungen oder möglichen Folgen für ihre Kinder

    So haben wir in den letzten zwei Wochen unterstützt

    Wir haben …

    • Anträge gestellt oder vorbereitet, u. a. auf:
      • Sozialhilfe
      • Rehabilitationsgeld
      • Berufsunfähigkeitspension (Angestellte) / Invaliditätspension (Arbeiter)
      • Energiekostenzuschuss
      • Wohnbeihilfe
      • Aktivpass
      • Einkaufsberechtigungen (SOMA, Stradaladen)
      • Heizkostenzuschuss
      • Familienlastenausgleich
      • Grad der Behinderung und Behindertenpass
      • Hunger auf Kunst und Kultur
      • einmalige Hilfen in besonderen Lebenslagen (Land, MA 40, Sozialamt Linz)
      • Hilfsansuchen bei Caritas, Stadtdiakonie, Volkshilfe
      • Unterstützungen durch Vereine und Organisationen (z. B. Familienhilfe, Lionsclub)

    • praktische Lösungen gefunden, z. B.:
      • mit Energieanbietern Ratenvereinbarungen getroffen
      • Unterstützung bei Wohnungssicherung
      • Lebensmittelhilfe organisiert
      • Freizeitangebote für Kinder vermittelt

    • begleitet zu:
      • Terminen bei Ämtern
      • Arztbesuchen
      • Gesprächen in Schulen

    • Hürden abgebaut durch:
      • Hilfe beim Ausfüllen von Formularen
      • Erklärungen bei behördlicher Sprache und digitalen Hürden
      • Zuhören, Mut machen, Ängste abbauen

    Was unsere Arbeit bewirkt

    Durch unsere Peer-Begleitungen konnten in den letzten zwei Wochen u. a. erreicht werden:

    • neue soziale Kontakte aufgebaut
    • Isolation durchbrochen
    • Vertrauen in Ämter und Behörden gewachsen
    • Wohnsicherheit hergestellt
    • Energieversorgung gesichert
    • Kinder in Vereine und Freizeitgruppen integriert
    • Teilzeit- und Minijobs ermöglicht
    • Schuldenregulierung angestoßen
    • Entlastung durch Zuhören und Begleitung
    • Tagesstrukturen entwickelt
    • Selbstwertgefühl gestärkt
    • praktische Lösungen für den Alltag gefunden
    • Hobbys und Interessen wieder aufgenommen
    • Mut zurückgewonnen, für sich einzustehen

    Fazit

    Die letzten zwei Wochen haben uns einmal mehr gezeigt: Armut bedeutet nicht nur Geldmangel, sondern auch Scham, Angst und Isolation. Wenn Menschen Unterstützung auf Augenhöhe erfahren, verändert sich vieles: Sie gewinnen wieder Vertrauen in sich selbst, erleben erste Erfolge und spüren neue Hoffnung.

    Unsere Peer-Arbeit wirkt dort, wo Hilfesysteme oft nicht greifen – niedrigschwellig, solidarisch, auf Augenhöhe. Und jeder kleine Schritt, den wir gemeinsam gehen, ist ein Stück zurück ins Leben.


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  • Wachsende Ungleichheit als Brandbeschleuniger

    Soziale Ungleichheit und finanzielle Unsicherheit sind längst keine Randthemen mehr. Sie betreffen nicht nur jene, die am unteren Ende der Einkommensskala leben, sondern greifen zunehmend auch auf die Mitte der Gesellschaft über. In Österreich, Deutschland und vielen anderen westlichen Demokratien prägen steigende Lebenshaltungskosten, stagnierende Löhne und unzureichende soziale Absicherungen den Alltag von Millionen Menschen. Diese Entwicklungen bleiben nicht ohne politische Folgen: Wenn breite Bevölkerungsschichten das Gefühl verlieren, mit eigener Arbeit ein stabiles Leben führen zu können, geraten gesellschaftlicher Zusammenhalt und Vertrauen in Institutionen ins Wanken. In diesem Spannungsfeld zwischen ökonomischem Druck, politischer Polarisierung und medialen Narrativen entscheidet sich, wie stabil Demokratien in Zukunft bleiben.


    1. Die Mittelschicht unter Druck

    Die Mittelschicht gilt seit Jahrzehnten als Rückgrat der Demokratie. Sie stabilisiert Konsum, trägt Steuereinnahmen, ist stark in Vereinen und Nachbarschaften engagiert und bildet damit das soziale Fundament westlicher Gesellschaften. Doch die aktuellen Entwicklungen gefährden diese Rolle zunehmend.

    Laut EU-SILC 2024 ist in Österreich jede*r Sechste armuts- oder ausgrenzungsgefährdet, während 3,7 Prozent der Bevölkerung an erheblicher materieller und sozialer Benachteiligung leiden. Besonders beunruhigend ist jedoch eine andere Zahl: Rund 40 Prozent der Beschäftigten geben an, „gerade so über die Runden zu kommen“. Dieser Befund zeigt, dass nicht mehr nur die unteren Einkommensschichten mit existenziellen Sorgen kämpfen, sondern auch große Teile der arbeitenden Bevölkerung.


    2. Strukturelle Ursachen sozialer Unsicherheit

    Ökonomische Belastungen sind kein Zufall, sondern Ergebnis langfristiger Entwicklungen. Die Lohnspreizung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten vergrößert: Während hohe Einkommen und Vermögen stark wachsen, stagnieren mittlere und niedrige Löhne. Gleichzeitig explodieren Wohnkosten in vielen Städten, während leistbarer Wohnraum knapp bleibt.

    Auch soziale Sicherungssysteme geraten unter Druck. Leistungen wie Arbeitslosengeld oder Mindestsicherung reichen oft nicht aus, um Krisensituationen abzufedern. Wer länger arbeitslos ist, rutscht schnell in Armut. Besonders gefährdet sind Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose, Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen und Kinder. Bildungschancen hängen stark vom sozialen Hintergrund ab – ein Faktor, der Ungleichheit über Generationen hinweg verfestigt.

    Makroökonomische Schocks wie die Energiekrise oder die hohe Inflation der letzten Jahre verstärken diese Entwicklungen. Haushalte ohne Rücklagen geraten schnell in Abwärtsspiralen. Psychische Belastungen, soziale Isolation und das Gefühl, vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen zu sein, sind die Folgen. In diesem Klima gedeihen populistische Narrative, die einfache Schuldige präsentieren, während strukturelle Ursachen aus dem Blick geraten.

    Wenn wachsende Ungleichheit auf radikalisierten Diskurs trifft, entsteht ein Beschleuniger für politische Destabilisierung.


    3. Politische Dynamiken in Österreich

    3.1 ÖVP: Stabilität mit Schattenseiten

    Die Österreichische Volkspartei (ÖVP) agiert primär nach klassischer Machtlogik. Sie bedient ihre Kernwählerschaft, setzt auf wirtschaftsfreundliche Politik und sucht mediale Dominanz. Anders als bei Donald Trump gibt es keine gezielte Strategie, demokratische Institutionen systematisch zu schwächen. Doch die Folgen ihrer Politik sind dennoch problematisch:

    Durch das Vernachlässigen der mittleren und unteren Einkommensschichten spielt die ÖVP indirekt jenen in die Hände, die auf Polarisierung setzen – allen voran der FPÖ. Kürzungen bei Sozialleistungen, Zurückhaltung bei Lohnsteigerungen und ein Mangel an konsequenter Inflationsbekämpfung verschärfen die Unsicherheit vieler Menschen. Das öffnet Räume für rechtspopulistische Kräfte, die einfache Lösungen versprechen.

    3.2 FPÖ: Gefahr für die demokratische Kultur

    Die Freiheitliche Partei Österreichs setzt offensiv auf populistische Rhetorik und Polarisierung. Sie präsentiert sich als Anwältin „des kleinen Mannes“, während sie gleichzeitig Sündenböcke benennt – von Migrant*innen über „die EU“ bis hin zu politischen Gegnern. Damit trägt sie direkt zur Erosion demokratischer Diskussionskultur bei. Sollte sie in zentrale Machtpositionen gelangen, wäre die Gefahr einer Destabilisierung der Demokratie groß.

    3.3 SPÖ, NEOS und Grüne: Stabilisierung mit Lücken

    Die Sozialdemokratie (SPÖ) könnte in Fragen sozialer Sicherheit und Verteilungsgerechtigkeit traditionell punkten. Ihre größte Herausforderung liegt jedoch darin, ein kohärentes Zukunftsbild zu entwickeln, das sowohl die prekär Beschäftigten als auch die klassische Mittelschicht anspricht und Menschen abholt, die aktuell, aufgrund der finanziell immer schwieriger werdenden Lage, kaum Zeit und Ressourcen haben, um sich mit den Folgen von Populismus auseinanderzusetzen. Sprich: Antworten auf die vermeintlich einfachen Lösungen einer FPÖ bieten.

    Die NEOS treten mit einer liberalen Agenda auf, die stärker auf Eigenverantwortung setzt. Sie können als Gegenpol zu autoritären Tendenzen wichtig sein, müssen aber aufpassen, nicht jene aus dem Blick zu verlieren, die bereits jetzt am Rand der Armut leben. Auch das verbreiten von klassistischen Narrativen trägt seinen Teil zu den Spannungsfeldern bei.

    Die Grünen wiederum legen den Fokus auf ökologische Transformation, haben aber erkannt, dass Klimapolitik nur erfolgreich sein kann, wenn sie sozial abgefedert wird.

    Nicht jede konservative Partei destabilisiert die Demokratie wie in den USA – entscheidend sind Strategie, Rhetorik und eingesetzte Machtinstrumente. Aktuell wirken in Österreich die Risiken vor allem subtil und indirekt, außer bei Akteuren, die gezielt Polarisierung und Ressentiments als politisches Werkzeug einsetzen. Allen vier Parteien (ÖVP, SPÖ, Grüne, Neos) gemeinsam ist: Sie können stabilisierend wirken – aber nur, wenn sie bereit sind, über Parteigrenzen hinweg zusammenzuarbeiten, manche Klientelpolitik zurückzuschrauben und soziale Sicherheit in den Mittelpunkt zu rücken. Bei der FPÖ ist Vorsicht geboten: Sie nutzt polarisierende Rhetorik und populistische Strategien stärker, um politische Unterstützung zu mobilisieren, und kann damit die demokratische Kultur direkter herausfordern.

    Die Verbindung von ökonomischer Unsicherheit + Polarisierung + mediale Narrative schafft ein Umfeld, in dem demokratische Standards ausgehöhlt werden können


    4. Lektionen aus den USA

    Ein Blick in die USA zeigt, wie gefährlich die Kombination aus ökonomischer Unsicherheit, Polarisierung und radikalisiertem Konservatismus sein kann. Am 6. Januar 2021 stürmten Anhänger Donald Trumps das US-Kapitol, um die Bestätigung des Wahlergebnisses zu verhindern. Fünf Menschen starben, zahlreiche wurden verletzt. Dieser Angriff machte sichtbar, wie schnell demokratische Institutionen in Bedrängnis geraten können, wenn Vertrauen verloren geht und politische Narrative Gewalt legitimieren.

    Europa ist von einer solchen Eskalation (noch) weit entfernt – nicht zuletzt dank stärkerer sozialer Sicherungssysteme und funktionierender Institutionen. Doch die Entwicklungen in Österreich und Deutschland zeigen, dass auch hier die Gefahr wächst, wenn politische Akteure Unsicherheit nicht abbauen, sondern verstärken.


    5. Narrative und mediale Dynamiken

    Polarisierung wird nicht nur durch Politik, sondern auch durch Sprache und mediale Mechanismen verstärkt. Begriffe wie „Sozialschmarotzer“ stigmatisieren Betroffene und schaffen ein Klima der Abwertung. Eine bewusste Veränderung von Narrativen kann hier entscheidend sein: Wer von „Menschen in Not“ oder „Beschäftigten unter Druck“ spricht, signalisiert Empathie statt Ausgrenzung.

    Soziale Medien beschleunigen die Verbreitung polarisierender Botschaften. Algorithmen bevorzugen emotionalisierte Inhalte, während sachliche Korrekturen oft weniger Reichweite erzielen. In diesem Umfeld gewinnen populistische Erzählungen an Kraft. Medienhäuser wie Falter oder Der Standard versuchen, mit Analysen und Hintergrundberichten gegenzuhalten, doch ihre Reichweite kann die Dynamik nur begrenzt bremsen.

    Die Verbindung von ökonomischer Unsicherheit + Polarisierung + mediale Narrative schafft ein Umfeld, in dem demokratische Standards ausgehöhlt werden können


    6. Handlungsmöglichkeiten

    6.1 Strukturelle Reformen

    • Reallöhne stabilisieren: Anpassung an Inflation, steuerliche Entlastung mittlerer Einkommen.
    • Soziale Sicherung stärken: Reformen bei Arbeitslosengeld, Mindestsicherung und Pensionen.
    • Wohnraum sichern: Ausbau des sozialen Wohnbaus, Begrenzung von Spekulation.
    • Kinderarmut bekämpfen: Direkte Zuschläge, Investitionen in frühkindliche Bildung.

    6.2 Gesellschaftliche Maßnahmen

    • Zivilgesellschaft stärken: Unterstützung von Nachbarschaftszentren, Kulturinitiativen, Vereinen.
    • Narrative verändern: Bewusste Sprache gegen Stigmatisierung.
    • Fakten stärken: Aktive Korrektur von Desinformation, Förderung unabhängiger Medien.

    6.3 Institutionelle Resilienz

    • Demokratische Bildung: Mehr politische Bildung in Schulen und Erwachsenenbildung.
    • Überparteiliche Kooperation: Gemeinsames Handeln gegen Extremismus, trotz politischer Differenzen.
    • Institutionelle Checks and Balances: Stärkung unabhängiger Gerichte, Medien und Kontrollinstanzen.

    7. Stimmen aus Wissenschaft und Medien

    Zahlreiche Expert:innen liefern fundierte Analysen zur Verbindung von sozialer Unsicherheit, Demokratie und Polarisierung. Die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl analysiert Rechtspopulismus und Radikalisierung, Barbara Blaha (Momentum Institut) beleuchtet Verteilungsfragen, Katharina Mader (WU Wien) forscht zu Care-Ökonomie und Geschlechterungleichheit. Auch Margit Appel, Brigitte Unger und Christoph Butterwegge tragen wertvolle Perspektiven bei.

    Studien wie der Demokratiemonitor Österreich (Foresight/Donau-Universität Krems) dokumentieren eindrücklich, dass wirtschaftliche Unsicherheit die politische Anfälligkeit für Populismus erhöht. Die Verbindung zwischen subjektivem wirtschaftlichen Druck, dem Gefühl gesellschaftlicher Ungerechtigkeit und dem Vertrauen in Institutionen wird regelmäßig empirisch nachgewiesen. Ähnliche Befunde liefern der Sozialbericht der deutschen Bundesregierung und Analysen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

    Publizistisch tragen Journalist\:innen wie Annika Brockschmidt („Brandstifter“), Heribert Prantl (Süddeutsche Zeitung) oder Beate Hausbichler (Der Standard) dazu bei, die Gefahren von Fundamentalismus, Polarisierung und sozialer Destabilisierung sichtbar zu machen. Medien wie Falter oder Der Standard spielen eine wichtige Rolle bei der Aufklärung und der Stärkung demokratischer Diskurse.

    Die Kombination aus direkter Armut und der ökonomisch verletzlichen Mitte verstärkt das Konfliktpotenzial: Wer sich bedroht fühlt, sucht einfache Erklärungen und Feindbilder, was Populisten und radikalen Strömungen Tür und Tor öffnet.


    8. Fazit

    Die Stabilität von Demokratien hängt entscheidend von der sozialen Mitte ab. Wenn steigende Kosten und sinkende Reallöhne dazu führen, dass große Teile der Bevölkerung um ihre Existenz bangen, wird der Boden für Polarisierung und autoritäre Tendenzen bereitet. Der Demokratiemonitor verdeutlicht: Wer wirtschaftliche Sorgen ignoriert, schafft zugleich eine politische Vulnerabilität, die Populismus und einfache Lösungen begünstigt.

    Österreich ist – nicht zuletzt dank funktionierender Sicherungssysteme – noch weit von einer Entwicklung wie in den USA

    Armut bekämpfen, soziale Mitte stabilisieren, Narrative verändern – an diesen Hebeln können wir aktiv die Demokratie schützen.

  • Was ist SoliTank?

    Armut ist in Österreich Realität – und doch wird sie oft übersehen oder mit Stigma belegt. Viele Menschen wissen nicht, wie sie ihre Miete zahlen sollen, wie sie mit steigenden Kosten klarkommen oder welche Rechte ihnen überhaupt zustehen. Und viele trauen sich nicht, Hilfe in Anspruch zu nehmen – aus Scham, aus Angst oder weil die Hürden im Hilfesystem zu hoch sind.

    SoliTank ist aus genau dieser Erfahrung entstanden. Wir wissen, wie sich Armut anfühlt, weil wir sie selbst erlebt haben. Und wir wissen, wie wichtig es ist, in Notlagen jemanden an der Seite zu haben, der zuhört, unterstützt und Mut macht.

    Unser Ansatz: Solidarität statt Almosen

    SoliTank steht für Unterstützung auf Augenhöhe. Wir verstehen Hilfe nicht als Gnade, sondern als Ausdruck von Solidarität. Armut ist kein individuelles Versagen, sondern ein strukturelles Problem. Deshalb setzen wir dort an, wo bestehende Systeme zu spät, zu kompliziert oder gar nicht greifen.

    Unsere Arbeit umfasst drei Schwerpunkte:

    • Peerarbeit: Menschen mit eigener Armutserfahrung begleiten Betroffene – praktisch, ermutigend und authentisch. Dabei geht es nicht um „Belehrung“, sondern um Begegnung auf Augenhöhe und um die Brücke zwischen Betroffenen und Ämtern, NGOs oder Energie- und Wohnträgern.
    • Soforthilfe: Mit Spendenmitteln springen wir dort ein, wo akute Not herrscht. Ob Lebensmittel, Stromnachzahlung oder dringend benötigte Medikamente – wir helfen schnell, unbürokratisch und direkt.
    • Vorträge, Workshops, Lehrveranstaltungen, Sensibiliserung

    Warum es SoliTank braucht

    SoliTank ist klein, aber wirksam. Wir zeigen, dass Unterstützung nicht kompliziert sein muss, sondern sofort etwas verändern kann. Und wir machen sichtbar: Armut ist Teil unserer Gesellschaft, und es braucht Solidarität, um sie zu überwinden.

    Wer uns unterstützt, trägt dazu bei, dass Hilfe nicht an Anträgen oder Stigmatisierung scheitert – sondern Menschen erreicht, die sie wirklich brauchen:

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  • Peerarbeit: Solidarität auf Augenhöhe

    Armut ist mehr als ein leerer Kühlschrank oder eine unbezahlte Rechnung. Sie bedeutet oft auch Scham, Angst und das Gefühl, allein dazustehen. Genau hier setzt Peerarbeit an: Menschen, die selbst Armut erfahren haben, begleiten andere Betroffene. Sie wissen, wie es sich anfühlt, vor verschlossenen Türen zu stehen, und sie kennen die kleinen Schritte, die wieder Hoffnung geben.

    Was Peerarbeit bedeutet

    Peerarbeit heißt: Unterstützung von Betroffenen für Betroffene. Sie ist praktisch, ermutigend und entsteht auf Augenhöhe. Wer selbst vor Formularen verzweifelt ist, Stromabschaltungen fürchtete oder Angst vor der nächsten Miete hatte, kann authentisch helfen. So wird Angst und Scham ernst genommen und in machbare Schritte verwandelt.

    Peerarbeit wirkt, weil:

    • Gleiches Verständnis da ist: Wer Armut kennt, versteht die Sorgen.
    • Alltag statt Theorie zählt: Hilfe geschieht dort, wo sie gebraucht wird – beim AMS, bei Sozialanträgen oder beim Aufarbeiten von Rückständen.
    • Mut statt Ohnmacht wächst: Begleitung macht aus Stillstand wieder Handeln.
    • Würde statt Beschämung entsteht: Begegnung auf Augenhöhe nimmt die Angst, „falsch“ zu sein.

    Unsere Rolle als Brücke

    SoliTank versteht Peerarbeit auch als Brücke zwischen Betroffenen und Institutionen. Wir begleiten zu Ämtern, Behörden und Beratungsstellen, vermitteln zwischen NGOs, Energieversorgern oder Wohnungsunternehmen und schaffen so Zugänge, die Betroffene alleine oft nicht finden oder sich nicht trauen zu nutzen.

    Geschichten aus unserer Arbeit

    Jede Begegnung ist einzigartig. Doch viele Geschichten zeigen, wie viel schon kleine Schritte verändern:

    • Maria, alleinerziehend, drei Kinder: Durch Begleitung konnte sie Mietrückstände klären. Die Familie durfte in ihrer Wohnung bleiben.
    • Hans-Peter, nach langer Arbeitslosigkeit: Schritt für Schritt zurück ins Berufsleben, heute wieder Teilzeit beschäftigt und mit neuem Selbstwertgefühl.
    • Fatima, im Flüchtlingsheim: Ihre Kinder besuchen jetzt die Pfadfinder, sie selbst lernt in einer Frauengruppe Lesen und Schreiben – und hat neue Kontakte geknüpft.
    • Christine, schwer erkrankt: Mit Unterstützung bei Behördenwegen und alltäglichen Fragen hat sie wieder mehr Sicherheit und Vertrauen gewonnen.

    Solche Erfahrungen zeigen: Peerarbeit ist kein Luxus, sondern nachhaltige Armutsbekämpfung.

    Stimmen der Betroffenen

    ⭐⭐⭐⭐⭐ „Ohne Begleitung hätte ich mich das nie getraut.“ — Karin
    ⭐⭐⭐⭐⭐ „Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, die Kontrolle nicht völlig zu verlieren.“ — Aylin
    ⭐⭐⭐⭐⭐ „Ich traue mir wieder etwas zu, das hätte ich alleine nie geschafft.“ — Jasmin

    Unser Ziel mit Peerarbeit

    SoliTank verbindet Soforthilfe mit langfristiger Begleitung. Denn unser Ziel ist nicht nur, akute Notlagen zu entschärfen, sondern Menschen Würde, Sicherheit und faire Chancen zurückzugeben.

    Wir finanzieren unsere Arbeit durch Vorträge, Workshops und Spenden. Doch da Peerarbeit immer stärker nachgefragt wird, brauchen wir regelmäßige Unterstützung. Jede Spende – ob einmalig oder monatlich – ermöglicht, dass wir Betroffene begleiten, Perspektiven aufzeigen und gemeinsam Lösungen finden können.

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  • Von Mut und Hilfe

    Ich kenne jemanden von SoliTank. In echt. Nicht nur über das Internet. Ich glaube, ich habe nicht immer den besten Eindruck gemacht. Weil ich schwierig bin. So sagt es meine Mama. Weil ich bei diesem Mann geblieben bin, obwohl er mir nicht gutgetan hat. Weil ich nicht gleich gegangen bin. Immer wieder zurück. Ich bin wieder schwanger geworden. Das zweite Mal. Ich habe das Kind behalten. Obwohl alles schon mit einem Kind zu schwer war. Und mit ihm als Partner sowieso. Das Geld hat nie gereicht. Ich hätte es schaffen können, abzutreiben. Ich hatte das Geld. Aber ich konnte es nicht.

    Die Mitarbeiterin von Solitank war für mich da. Sie ist es immer noch. Auch wenn ich weine. Auch wenn ich Termine nicht schaffe. Selbst als ich nochmal zurückgegangen bin – sie hat mich nicht aufgegeben. Ich habe mich das erste Mal seit langem wieder gesehen gefühlt. Als Mensch. Als Frau. Als Mutter.

    Vier Anläufe haben wir gebraucht für den Termin. Beim vierten Mal hat es geklappt. Sie war dabei. An meiner Seite. Sie wusste mehr als die Frau von der offiziellen Beratungsstelle. Sie hat mir zugehört. Meine Hand gehalten. Mir Tee gemacht. Mir Mut gegeben. Mut, weiterzumachen. Mut, dieses Mal durchzuhalten.

    Sie zeigt mir, dass ich stark bin. Auch wenn ich Hilfe brauche. Auch wenn ich arm bin. Auch wenn ich weine. Sie gibt mir Hoffnung. Sie hat es geschafft, aus ihrem alten Leben rauszukommen. Und vielleicht schaffe ich das auch irgendwann.

    Sie sagt: Ich bin okay, so wie ich bin. Es ist okay, nicht gleich Bäume auszureißen – manchmal reicht es, das Gras zu streicheln.

    Jetzt habe ich einen Soma-Ausweis. Und einen für den Strada-Laden. Nächste Woche geht sie mit mir zum Kindergarten. Und zum Weißen Ring. Und ich weiß: Wenn jemand mich beschämt oder sagt, ich bin selbst schuld – wird sie wie eine Löwin an meiner Seite stehen.

    Und irgendwann bin ich selbst eine Löwin. Nicht mehr nur eine Babykatze. Auch wenn es noch dauert.

    Danke, dass es euch gibt. Danke, dass ihr mir Kraft gebt.

    Ich habe mich jetzt für den Lehrabschluss angemeldet. In der Karenz. Vieles geht online. Meine Schwester zahlt mir den Omadienst. Ich werde das schaffen. Für meine Kinder. Und für mich.

    Und eines Tages, hoffe ich, kann ich so wie ihr sein. Für andere, die es brauchen.

    Danke, dass ihr mich gerettet habt.

    Ihr wollt eure Erfahrungen erzählen? Aber anonym bleiben? Dann schreibt uns:

  • Armut ohne Würde – Sozialhilfe

    Es gab eine Zeit in meinem Leben, da musste ich Sozialhilfe beantragen. Nach einem Burnout, als das Krankengeld auslief, blieb mir keine Wahl. Ich war nicht arbeitsfähig, nicht leistungsfähig, nicht „produktiv“. Ich war einfach nur erschöpft. Und doch fühlte sich dieser Schritt nicht wie Hilfe an – sondern wie ein tiefes, demütigendes Versagen.

    Jeden Monat musste ich zu meinem Sachbearbeiter. Ein Mann, der mich mit einem Blick musterte, als müsste er persönlich entscheiden, ob ich es verdiene, Unterstützung zu erhalten.
    „So wie Sie aussehen, brauchen Sie das doch eigentlich gar nicht“, sagte er mir direkt beim ersten Beratungstermin mit abschätzender Miene.

    Ich hatte mir an diesem Morgen Make-up aufgetragen, mich ein wenig geschminkt – nicht, um jemandem etwas vorzumachen, sondern für mich. Um mir das letzte bisschen Selbstwertgefühl zu erhalten, um nicht auch noch äußerlich so auszusehen, wie ich mich innerlich fühlte. Doch genau das wurde mir gefühlt zum Verhängnis, wurde mir zum Vorwurf gemacht. Es verstärkte das Bild, ich würde ja nicht wirklich wollen.

    Sozialhilfe bedeutet, sich komplett nackt zu machen – nicht nur finanziell, sondern auch seelisch. Jede Ausgabe wurde geprüft. Mein Kontostand durchleuchtet.
    Als meine Oma meinem Kind zum Geburtstag Geld schickte, wurde es mir angerechnet.
    „Das zählt als Einkommen“, hieß es. Ein Geschenk. Für mein Kind. Aber ich durfte nicht wütend sein, durfte nicht hinterfragen, durfte nicht darauf bestehen, dass das unfair war.

    Wer Sozialhilfe bezieht, hat keinen Raum für Stolz, keinen Raum für Gerechtigkeit. Dass das so gar nicht stimmte, wusste ich damals nicht. Ich hatte niemanden, an den ich mich wenden konnte, um mich beraten zu lassen. Und von anderen Betroffenen wusste ich nur zu gut: Mit dem Sozialamt legt man sich besser nicht an, sonst bekommt man gar nichts mehr. Und was passiert dann mit mir und den Kindern?

    „Sie müssen sich jetzt dann mal zusammenreißen und wieder arbeiten gehen“, sagte mein Sachbearbeiter irgendwann.

    Ein Satz, der sich wie eine Ohrfeige anfühlte. Als wäre ich eine Lügnerin, die nicht arbeiten wollte, die gerne krank und arm sein wollte. Als wäre es meine eigene Faulheit, die mich hierhergebracht hatte. Als hätte ich mir all das ausgesucht.
    Doch genau so wird es vermittelt: Du bist hier, weil du versagt hast. Und nun musst du dich rechtfertigen.

    Jeden Monat ein neuer Termin. Jeden Monat das Gefühl, nicht nur mittellos, sondern wertlos zu sein. Ständige Androhungen von Maßnahmen, die mich klein halten sollten – 1-Euro-Jobs, Zuweisungen, Sanktionen, falls ich nicht „kooperiere“.
    Niemand fragte, was ich brauche, um wieder gesund zu werden. Es ging nie um mich. Es ging um Kontrolle.

    Am Ende habe ich resigniert. Ich konnte diese permanente Demütigung, diese Beschämung nicht mehr ertragen.
    Gegen den Rat meiner Ärztin meldete ich mich selbst gesund und beim Arbeitsamt arbeitsfähig, tat alles, um wieder in den Job zurückzukehren.

    Auch die Notstandshilfe war nicht viel, und ich hätte ein Anrecht auf Aufstockung vom Sozialamt gehabt.
    Ich hätte sie gebraucht – doch ich habe bewusst darauf verzichtet.

    Denn noch mehr brauchte ich das Gefühl, wieder ein Mensch mit zumindest ein bisschen Würde zu sein.

    Also entschied ich mich, lieber jeden Cent dreimal umzudrehen, als noch einmal dort zu sitzen, mich rechtfertigen zu müssen und mich beschämen zu lassen.
    Mich so wertlos zu fühlen, nur weil ich auf Sozialhilfe angewiesen war.
    Weil ich nie wieder dieser Erniedrigung ausgesetzt sein wollte.

    Sozialhilfe soll Menschen helfen. Doch in Wahrheit hält sie sie klein. Sie zwingt sie in eine Position der Hilflosigkeit, in der jede Entscheidung fremdbestimmt ist, in der man sich nichts mehr herausnehmen darf – nicht einmal die Würde, sich morgens im Spiegel anzusehen, ohne sich schuldig zu fühlen.


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  • Erwartete Dankbarkeit

    Dankbarkeit. Ein Wort, das mich einengt wie ein viel zu enger Mantel, der mir nicht gehört. Ein Wort, das mich klein macht, mich erstickt, mich erstarren lässt. Zumindest, wenn sie von mir erwartet wird.

    Ich habe damals rasch gelernt, dass man als arme Person nicht wählerisch sein darf. Dass ich keine Wünsche haben darf, keine Vorlieben, keine Ansprüche. Dass mir Dinge – egal ob Möbel oder Kleidung – nicht gefallen müssen, ja sogar nicht gefallen dürfen, wenn ich sie geschenkt bekomme. Denn wer nichts hat, muss nehmen, was er bekommt. Ohne Fragen zu stellen. Ohne Widerworte. Ohne eine Miene zu verziehen.

    Denn Armut nimmt dir nicht nur das Geld. Sie nimmt dir dein Recht, Nein zu sagen. Nein zu Kleidung, die nicht deine ist, die dir nicht passt, die nach fremden Menschen riecht. Nein zu Möbeln, die deine Wohnung ersticken, die du nicht willst, die dir aufgedrängt werden. Nein zu Hilfe, die keine ist, sondern eine Schuld, die du begleichen musst.

    Ich weiß nicht mehr, wann genau es begann. Wann ich das erste Mal das Gefühl hatte, dass Hilfe kein Segen ist, sondern eine Bürde. Vielleicht, als mir ein riesiger Müllsack mit Kleidung vor die Füße gekippt wurde.

    „Hier, ich hab dir was mitgebracht!“, sagte die entfernte Verwandte mit einem Lächeln, als hätte sie mir gerade die Welt geschenkt. Ich schluckte schwer, zwang mich zu einem Lächeln und griff in den Sack.

    Heraus zog ich einen unförmigen, ausgewaschenen Pullover, der nach Keller roch. Darunter eine Bluse mit riesigem Kragen, wie aus den Achtzigern. Röcke in unpassenden Größen, Männerhemden, Strumpfhosen mit Laufmaschen. Dinge, die mir nicht passten und die ich nie tragen würde. Dinge, die jemand anderes loswerden wollte.

    Ich spürte, wie sich Scham in meiner Brust ausbreitete – heiß und drückend. Ich wollte das nicht. Ich wollte nicht diejenige sein, die den Ausschuss anderer tragen muss. Doch was konnte ich tun? Ablehnen? Das kam nicht infrage. Also nickte ich, bedankte mich, drückte die Kleidung an mich, als wäre sie ein Geschenk, das mir wirklich Freude machte.

    „Falls dir was nicht gefällt, gib’s einfach weiter!“, sagte sie fröhlich. Ich wusste, das war keine echte Großzügigkeit. Es war nur eine einfache Möglichkeit, sich des alten Krempels zu entledigen – und sich dabei auch noch gut zu fühlen.

    Doch das war erst der Anfang. Ein paar Monate später bot mir mein Onkel eine Essecke an. Sie stammte aus dem Nachlass einer verstorbenen Bekannten. Dunkles, massives Holz, klobig und erdrückend. Es passte nicht in meine kleine Wohnung, nicht zu mir, nicht in mein Leben.

    „Ich brauche sie nicht, danke“, sagte ich vorsichtig.
    Stille. Einen Moment lang schien die Luft zwischen uns zu gefrieren. Dann zog er die Augenbrauen hoch, runzelte die Stirn.

    Ich wusste, was das bedeutete. Ich wusste, dass ich jetzt in Ungnade gefallen war. Und tatsächlich: Plötzlich wurden Einladungen seltener, Nachrichten wurden nicht mehr beantwortet. Ich hatte ihre „Großzügigkeit“ zurückgewiesen – und dafür gab es eine Strafe.

    Doch das Schlimmste erschien in Form eines Mannes.

    Ich hatte ihn online kennengelernt. Er war verständnisvoll, hörte mir zu, sprach mir Mut zu. Er sagte, ich könne mich jederzeit bei ihm melden, wenn ich etwas brauche – sei es Geld, Unterstützung oder einfach ein offenes Ohr.

    Zuerst war erleichtert. Und ja, auch dankbar. Aber tief in mir war ich vorsichtig. Ich wollte glauben, dass es uneigennützig war. Doch mit der Zeit änderte sich etwas.

    Seine Nachrichten wurden anders. Erst nur ein unterschwelliger Ton, dann offene Andeutungen. Als er mir Geld anbot, spürte ich sofort das Gewicht der Schuld. Es war, als würde er ein unsichtbares Band zwischen uns knüpfen – eines, das mich an ihn binden sollte.

    Ich zögerte, wusste nicht, was ich tun sollte. Die Not war da. Aber mit jeder weiteren Nachricht wurde mir klarer: Das hier war keine Hilfe. Es war ein Handel, den er früher oder später einfordern würde.

    Ich fühlte mich beschmutzt, verzweifelt. Als hätte ich mich in eine Situation manövriert, aus der ich nicht mehr herauskam.

    Zum Glück bekam ich rechtzeitig andere Hilfe – eine, die mich nicht erdrückte, nicht manipulierte. Sie kam leise, ohne Bedingungen. Ohne den unausgesprochenen Preis, den ich irgendwann zahlen müsste. Es waren Menschen, die verstanden, ohne Fragen zu stellen. Die selbst wussten, wie es ist, sich zwischen Demütigung und Not entscheiden zu müssen. Ein kleines Netzwerk aus Unterstützung – unbürokratisch und ehrlich. Kein Mitleid, kein Druck. Nur echte Hilfe – die Art, die dich stärkt, statt dich klein zu machen.

    Doch ein Gedanke bleibt weiterhin bestehen.
    Was, wenn ich niemand anderen gehabt hätte?

    Denn wer arm ist, darf nicht wählerisch sein.

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  • Reform nötig!

    Stellungnahme von SoliTank zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zur Anrechnung einer Weihnachtsspende auf die Sozialhilfe

    Die jüngste Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH), die Kürzung der Sozialhilfe eines Linzers aufgrund einer Spende von 1.000 Euro als rechtens zu bestätigen, zeigt erneut die gravierenden Missstände im aktuellen Sozialhilfesystem. Es ist ein erschütterndes Beispiel dafür, wie das System armutsbetroffene Menschen nicht unterstützt, sondern in Armut gefangen hält.

    Ein junger Mann, der aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht arbeiten kann, erhält eine private Spende, um sich grundlegende Möbel für eine neue Wohnung anzuschaffen – ein Bett, einen Kühlschrank, einen Herd. Dinge, die jeder Mensch zum Leben braucht. Doch anstatt ihm diese Unterstützung zu belassen, wertet das Sozialamt die Spende als Einkommen, setzt die Sozialhilfe auf null und entzieht ihm damit genau jene Mittel, die ihm ein würdigeres Leben ermöglicht hätten.

    Diese Entscheidung ist aus mehreren Gründen problematisch:

    • Keine Unterstützung für Wohnungseinrichtung: In Oberösterreich gibt es keine Zuschüsse für Möbel oder Haushaltsgeräte. Wer also auf Sozialhilfe angewiesen ist, hat offiziell keinen Anspruch auf eine angemessene Grundausstattung seiner Wohnung.

    • Spenden werden zur Falle: Während der Gesetzgeber Spenden für besondere Bedarfe eigentlich schützen wollte, zeigt diese Entscheidung, dass genau das Gegenteil passiert: Wer Unterstützung erhält, wird bestraft, indem ihm diese wieder entzogen wird.

    • Kein Verständnis für reale Lebenssituationen: Dass der Verwaltungsgerichtshof die Spende als Einkommen und nicht als notwendige Vermögensbildung anerkennt, ignoriert die Realität von armutsbetroffenen Menschen. Ein Kühlschrank ist keine „Einkommensquelle“, sondern eine Notwendigkeit.

    Ein Sozialhilfesystem, das reformiert werden muss

    Die derzeitige Rechtslage führt dazu, dass Menschen in Armut jede Möglichkeit genommen wird, sich auch nur minimal zu verbessern. Wer durch eine Spende eine kurzfristige Erleichterung erfährt, wird mit einer Kürzung der staatlichen Unterstützung bestraft. Dadurch entsteht ein Teufelskreis, der verhindert, dass Betroffene jemals aus der Armut herauskommen.

    Wir von Solitank fordern daher:

    2. Eine bundesweite Regelung für einmalige Unterstützungen für Wohnungseinrichtung, damit Menschen in finanzieller Not nicht völlig auf private Spenden angewiesen sind.

    3. Eine Neuausrichtung der Sozialhilfe, die Menschen nicht weiter in Armut hält, sondern ihnen tatsächlich hilft, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

    Die öffentliche Empörung über diesen Fall zeigt, dass die Bevölkerung ein solches System nicht gutheißt. Spenden sollen helfen – nicht die öffentliche Hand entlasten. Es braucht dringend politische Maßnahmen, um solche Ungerechtigkeiten in Zukunft zu verhindern.

    Solitank – Kompetenzzentrum für faire Chancen

SoliTank

Kompetenzzentrum für faire Chancen

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